Warum du systemisch denken willst – mit Elefanten, Schlangen und der Weihnacht!

Eine Blogserie mit 7 Artikeln zum Thema erfolgreiche Führung in komplexen Zeiten - wissenschaftlich fundiert und konkret umsetzbar.

19. Dezember 2023, Blog #5/7:
In diesem Beitrag erfährst du, warum du zu den systemischen Denkern gehören willst und wie du Weihnachten in ein Geschenk der Erkenntnis umwandeln und so deine zukünftigen Festtage vorausschauend, pro-aktiv und nachhaltig gestalten kannst.

In Blogartikel 4 haben wir unter den Teppich geschaut: Was es braucht, damit Visionen nicht als verstaubte Papiertiger enden, sondern in echten Zukunftsbildern münden.

Lebendiges Visionieren ist im Rahmen dieser Blogserie der zweite von 4 Faktoren, der dich ermächtigt, nicht nur proaktiv, sondern auch erfolgreich zu führen.

Heute schauen wir uns Faktor 3 an: Deine Art, zu denken:
Gehörst du zu den Vordenkern, Nachdenkern, Umdenkern, Mitdenkern, Querdenkern? Oder vielleicht zu den Überdenkern?

Warum du systemisch denken willst – mit Elefanten und Schlangen.

Die Parabel von den blinden Männern und dem Elefanten gibt uns eine wunderbare Einführung ins systemische Denken. Wenn du sie schon kennst, kannst du direkt nach der Box hier weiterlesen:

Die Blinden und der Elefant

Ein König sandte seine 6 weisesten Männer aus, um einen Elefanten zu finden, diesen zu erforschen und dem König ein genaues Bild des Elefanten zurückzubringen.
Als die Blinden nach langer Reise einen Elefanten fanden, begann jeder mit der Untersuchung – gerade dort, wo er stand. Der Blinde, der den Rüssel betastete, behauptete: «Ein Elefant ist wie eine Schlange – das ist glasklar.» Derjenige, der den Stosszahn untersuchte, entgegnete: «Nein, ein Elefant ist wie ein Speer.» Die anderen aber beteuerten, der Elefant sei vielmehr wie ein Luftfächer, ein Baumstamm, eine Mauer oder ein Seil – je nachdem, wo sie gerade ihre Untersuchung durchführten. Jeder der Blinden berief sich bei seiner Analyse und Beschreibung des Elefanten auf seine eigene, persönliche Erfahrung und Wahrnehmung. Alsdann begann eine angeregte Diskussion darüber, wer denn nun recht habe und was ein Elefant in Wirklichkeit sei.

Erst der König erkannte die Situation. Er lächelte und sagte: «Ich danke euch, denn ich weiss nun, was ein Elefant ist: Ein Elefant ist ein Tier mit einem Rüssel, lang wie eine Schlange, mit Ohren, die wie Fächer sind, mit Beinen, stark wie Baumstämme, mit einem Schwanz, der einem Seil gleicht und einem Rumpf, der sich wie eine grosse Wand anfühlt». Die Männer senkten beschämt den Kopf, nachdem sie erkannt hatten, dass jeder von ihnen nur einen Teil des Elefanten ertastet hatte und diesen für die ganze Wahrheit hielt.

Die Parabel führt uns mitten ins systemische Denken. Denn: Wie oft verlieren wir das Ganze aus dem Blick und denken in bestimmten Situationen nur noch in Details – wie die Blinden in der Geschichte – in Zahlen, Daten, fragmentierten Teilaspekten oder altbekannten Mustern?
Wer jedoch systemisch denkt, lenkt den eigenen Blick von einer linear-analytischen Denkweise auf eine ganzheitliche Sicht:

Anstatt Ausschnitte der Wirklichkeit zu isolieren, wird auf komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen in den Systemen fokussiert
(gl. Meadows, 2008, S. 11-15)

Damit werden persönlich und für die Organisation ganz andere Ansatzpunkte und Handlungsspielfelder geschaffen, was für pro-aktives, gestaltendes und vor allem längerfristig wirkungsvolles Handeln zentral ist.

Wie lässt sich systemisches Denken im beruflichen wie privaten Umfeld fördern und leben?

Wie kannst du dafür sorgen, dass du deinen Alltag nicht nur punktuell und fragmentiert, sondern ganzheitlich betrachtest?

Wenn folgende 3 Erklärungs-Ebenen bewusst in das eigene Denken integriert werden, führt dies bereits über kurzfristige Reaktivität hinaus:

Wenn du in deiner Denkweise Aktion und Resultat direkt miteinander verknüpfst, befindest du dich gemäss Senge auf der untersten, noch nicht-systemischen Stufe von Denken. Diese sogenannten Ereignis-Erklärungen fördern eine reaktive Haltung, nach dem Motto «Wer hat wem was angetan?».

Auf der zweiten Stufe geht es darum, anstelle von Ereignissen Verhaltensmuster zu sehen. Hier beginnt systemisches Denken. Damit gelingt es oft, längerfristig bedeutsame Entwicklungen sichtbar – und damit auch bearbeitbar zu machen – Diese Art des Denkens geht über kurzfristige Reaktivität hinaus. Denn um Muster entdecken zu können, muss folgendes einbezogen und sichtbar gemacht werden:

  • Unterschiedliche Perspektiven
  • Beziehungsdynamiken und
  • Wechselwirkungen

Genau das gibt Aufschluss darüber, wie sich Dinge gegenseitig beeinflussen. Und mehr: Es wird sichtbar, welche Auswirkungen dies nach sich zieht und was sinnvolle Handlungsweisen sind, um unerwünschte Muster zu unterbrechen. Damit ist die zweite Erklärungs-Ebene erreicht
Der nächste Schritt führt zur dritten Ebene und die zentrale Frage lautet:

Was verursacht diese Verhaltensmuster?

Beantworten wir diese Frage, erhalten wir Systemstruktur-Erklärungen. Diese geben eine grundlegende, umfassende Perspektive und wirken weitreichend (vgl. Senge , 2017, S. 69-70 und S. 88-98).
Soweit haben wir also 3 Ebenen erfasst, die unserem Denken eine neue, zielführende Richtung geben können:

Bei unserem Bemühen, «Dinge zu erklären», können wir einzelne Ereignisse betrachten, oder aber die darunterliegenden Verhaltensmuster analysieren, um so zur Wurzel zu gelangen und uns zu fragen, WODURCH diese Verhaltensmuster verursacht werden.

Doch wie erheben wir diese Stufen konkret?

Gib allen Spielern eine Stimme.

Wenn es um Verhalten und entsprechende Muster geht, sind wir auf alle vorhandenen Perspektiven und Stimmen angewiesen. Also auch Aussenseiter-Positionen und Gegner. Denn diese «Anderen» spielen eine wichtige Rolle in der (systemischen) Lösungsentwicklung. Das hebt Scharmer in seinen Überlegungen zur Systemdynamik im system-theoretischen Ansatz hervor.

Scharmer geht sogar noch weiter als es das übliche Systemdenken tut. Er erweitert das System um eine weitere Perspektive: Das eigene Bewusstsein. Konkret heisst das: Mit welcher Brille betrachte ich selbst die Welt?

Wenn wir systemisch denken, schliessen wir die Feedback-Schleife zwischen dem systemischen oder dem kollektiven Verhalten UND der Bewusstseins- und Denk-Ebene der eigenen Person (vlg. Scharmer, 2019, S.79).

Erweiterung des eigenen Handlungsspielraums – das Problem an der Wurzel packen.

Systemisches Denken hilft Organisationen also, nicht nur die augenblicklich vorherrschenden Probleme zu erkennen, sondern auch:

  • die darunterliegenden Ursachen von Problemen
  • die dahinterliegenden Muster und
  • die eigenen – sowohl individuelen als auch kollektiven – Anteile darin.

Derart ganzheitliche Erkenntnisse verändern unsere Perspektive – und sie erweitern massgeblich unseren Handlungsspielraum.

Durch systemisches Denken wird eine ganzheitliche Perspektive entwickelt. Dadurch wird vorausschauendes, pro-aktives und nachhaltiges Handeln erst möglich. Nämlich so, dass die Handlungen das Problem wortwörtlich an der Wurzel packen.

Wie stellst du nun sicher, dass in deiner Organisation systemische Denken zur Selbstverständlichkeit wird?

Wenn du deinen Handlungsspielraum dahingehend verändern willst, dass du die Wurzeln der Probleme erkennst und damit auch pro-aktiv anpacken kannst, stelle dir diese Fragen:

  • Welche Ereignisse schaffen aktuell Probleme oder Herausforderungen?
  • Welche Verhaltensmuster erkennen wir, wenn wir «dahinter» schauen?
  • Wordurch werden diese Verhaltensmuster verursacht?

Und wenn du bereits im Weihnachtsmodus bist, lade ich dich eine, diese Fragen auf die kommenden Festtage zu legen: 

  • Welches sind deine Herausforderungen bezüglich Weihnachten und dem Jahresübergang?
  • Welche typischen, wiederkehrenden Verhaltensmuster kannst du erkennen (z.B Geschenkestress, Beziehungsdynamiken, Streitpotenzial, Vermeidungsmuster, Vorfreude…)?
  • Welches sind deine darunterliegenden Glaubenssätze, die dein Verhalten beeinflussen (z.B. es muss schön werden, du musst es perfekt hinkriegen, Weihnachten muss friedlich sein…)?

Ausblick

Mit der systemischen Denk-Kultur haben wir einen dritten Faktor identifiziert, der nebst tiefgreifender Reflexion und lebendigen Visionen kraftvolle und erfolgreiche Führung in komplexen, unsteten Zeiten ermöglicht.
Einen weiteren Erfolgs-Faktor schauen wir uns im Folge-Artikel 6 vertieft an: Wo auch bei dir alles anfängt – und warum.
Du möchtest wissen, welche Voraussetzungen in deiner Organisation geschaffen werden müssen, um systemisches Denken nicht nur punktuell, sondern im täglichen Tun implementieren zu können? Setze dich gern mit mir in Verbindung – und wir schauen deine konkrete Situation detailliert an.

Ich wünsche frohe Festtage und ein gesegnetes Neues Jahr.

 

Herzlich
Barbara Seeger

 

P.S. Du hast die vorherigen Beiträge verpasst? Hier findest du Zugriff:

Blog #1: Dort erhältst du einen Überblick über die Struktur und Aufbau dieser Blogserie: «In 7 Schritten zu kraftvoller und erfolgreicher Führung in komplexen Zeiten».

Blog #2: «ANTWORTEST du schon oder REAGIERST du noch auf die Komplexität unserer unsteten Zeit» verschafft dir ein vertieftes Verständnis für die komplexe Ausgangslage unserer aktuellen Situation.

Blog #3: stellt dir den ersten Faktor für kraftvolle und erfolgreiche Führung in komplexen Zeiten vor: tiefgehendes Reflexionsverhalten als Entwicklungsbeschleuniger

Blog #4: erklärt dir weshalb Visionen oft nur Papiertiger sind und was es braucht, um echte, sinnstiftende,  und tragfähige Visionen zu gestalten, die erst noch umsetzbar sind.

 

Quellenverzeichnis

  • Meadows, D. (2008). Thinking in Systems. A Primer. London, UK: Chelsea Green Publishing
  • Scharmer, O. (2019). Theorie U. Von der Zukunft her führen. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH.
  • Senge, P. (2017). Die fünfte Disziplin. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft.Steuern.Recht GmbH.

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