Akzeptieren, was ist
Momentan haben die Menschen allen Anlass, sich in der Kompetenz des Akzeptierens zu üben: Covid-19 hält uns seit über einem Jahr auf Trab und wir hadern damit, dass unsere Routine und Pläne durcheinander gebracht werden und wir uns sehr fremdbestimmt fühlen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf solche Situationen zu reagieren. Die Einen gehen in den Widerstand: «wir machen die Party bei uns im Keller», die Anderen jammern: «unser ganzes Ferienbudget ist flöten gegangen und von Erholung keine Spur». Wieder Andere fallen in Aktionismus und starten neue Projekte. Die älteste Hirnregion, das Stammhirn, reagiert mit den altbekannten Reaktionsmustern: Kampf, Flucht oder Erstarrung (Ohnmacht / Opferhaltung).
Es fällt vielen Menschen schwer, mit Enttäuschungen und fremdbestimmten Veränderungen umzugehen – wir möchten unser Leben selbst steuern und kontrollieren können. Hinzu kommt, dass in der westlichen Gesellschaft viele «negative» Gefühle wie Angst, Scham, Neid oder Wut verpönt sind. Es wird als unangenehm empfunden, sie zu spüren und auszuhalten. So wird der Frust hinuntergeschluckt, die Traurigkeit mit Aktionismus verdrängt, die Missgunst mit ein paar (selbstverachtenden) bissigen Sprüchen überdeckt. Damit sind diese Gefühle aber nicht verschwunden, sondern werden ins Unterbewusstsein abgeschoben, wo sie weiterwirken, aber nicht mehr bewusst wahrgenommen werden.
Studien belegen, dass Akzeptanz nicht bloss in einem akuten Moment entlastet, sondern auch langfristig einen positiven Einfluss auf die persönliche Belastbarkeit hat. Nur wer eine Situation erkennt und voll akzeptiert, kann Stress und Ärger loslassen und seine Energie in die pro-aktive Gestaltung einer Veränderung geben.
Das hört sich ganz logisch und sinnvoll an. Doch in der Realität ist es nicht so einfach, Dinge tatsächlich zu akzeptieren. «Annehmen bedeutet die Bereitschaft, die Tatsachen unseres Seins in einem bestimmten Moment zu erfahren und uns nicht davon zu distanzieren. Wir bekennen uns zu unseren Gefühlen und der Realität unseres Verhaltens» erklärt der amerikanische Psychotherapeut Nathaniel Branden.
Wenn es gelingt, unbewusste und automatisch ablaufende Prozesse der Erlebnis- und Emotionsvermeidung zu erkennen, kann ein Lernprozess beginnen. Das Zulassen und wertungsfreie Benennen von unangenehmen Gefühlen, Gedanken und Empfindungen ist wichtig im Akzeptanzprozess. Dies kann im Austausch mit einer wohlwollenden Freundin, in Begleitung eines professionellen Coaches, in einer Achtsamkeitsübung oder in der Reflexion mit sich selbst passieren. Es ist einfacher, sich an Gefühle zu gewöhnen, wenn man sie wie Forschende erkundet und beobachtet, ohne sich vollkommen mit ihnen zu identifizieren und ohne sie loswerden oder verändern zu wollen. Oft verlieren sie mit der Zeit ihre Bedrohlichkeit, was die Akzeptanz besser ermöglicht. Durch diese Form der Auseinandersetzung lösen sich die Gefühle manchmal auf, werden schwächer, erträglicher oder können gar – nach vollständiger Akzeptanz – in etwas Positives transformiert werden. Die Energie, die im Widerstand gebunden war wird frei für die pro-aktive Gestaltung der Veränderung, wo dies nötig und möglich ist!
Es lohnt sich also, inne zu halten, hinzuschauen und zu akzeptieren, was ist – zu Gunsten von mehr Energie und Gelassenheit dieser besonderen Zeit des Wandels.
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