Reflexion als Entwicklungsbeschleuniger – oder wie du die Kunst kultivierst, über dich hinaus zu denken

Eine Blogserie mit 7 Artikeln zum Thema erfolgreiche Führung in komplexen Zeiten - wissenschaftlich fundiert und konkret umsetzbar.

3. November 2023, Blog #3/7: In diesem Beitrag identifizieren wir den ersten wesentlichen Faktor, um pro-aktives, gestaltendes und längerfristig wirkungsvolles Handeln zu ermöglichen: tiefgehendes Reflexionsverhalten.

In Blogartikel 2 haben wir das Phänomen der Re-Aktion erörtert: Warum viele Organisationen in einen re-aktiven Führungsmodus schlittern und woran du erkennst, wie das in deiner Organisation aussieht.

Heute wechseln wir die Perspektive und fragen uns: was braucht es, um in längerfristig wirkungsvolles Handeln zu kommen?

Wie du in pro-aktives, gestaltendes und längerfristig wirkungsvolles Handeln kommst

Du willst pro-aktives, gestaltendes und längerfristig wirkungsvolles Handeln in deiner Organisation begünstigen, statt im Modus der Re-Aktion kurzfristig und fremdbestimmt Feuer zu löschen?

Dann denke über dich hinaus und schau hinter die Kulissen deines Handelns. Denn mit bewusstem Reflexionsverhalten kannst du dich und deine Organisation tatsächlich pro-aktiv und selbstbestimmt steuern.

Doch einleitend: Was bedeutet Reflexion überhaupt?

Reflexion ist das analysierende und hinterfragende Nachdenken über eine Sache oder über sich selbst: Hinter die Kulissen der eigenen (Denk-)Muster schauen. Mit dem Ziel, mehr darüber herauszufinden, welche Gedanken, Annahmen, Werte und Erwartungen unbewusst am Steuer sind.

Kurz: Reflexion erweitet die eigene Perspektive, so dass neue Erkenntnisse gewonnen werden können.

Reflexion kann deshalb als intensive Lernerfahrung verstanden werden.

Die Autoren Argyris und Schön – Experten für organisationales Lernen –  haben sich mit dieser Lernform, explizit im organisationalen Kontext, eingehend auseinandergesetzt und den Lernprozess der Reflexion in nachvollziehbare Lern- und Erkenntnis-Stufen aufgeschlüsselt.

Sie setzen dabei auf zwei grundsätzliche Formen der Reflexion, die wir nachfolgend verstehen und für uns nutzbar machen wollen.

Wie du einfache und tiefgehende Reflexion als effektive Lernform für dich und deine Organisation nutzt

Einfache Reflexion: Das Single-Loop Learning
Organisationales Lernen beginnt gemäss Argyris und Schön in dem Moment, wo Mitglieder einer Organisation, Abweichungen zum Erwarteten feststellen, aufgrund dieser Erkenntnisse reagieren und eine veränderte Handlung vornehmen, um zu einem geplanten Ergebnis zu gelangen.

Damit durchläuft die Organisation eine einfache Lernschlaufe, ein Single-Loop Learning. Aufgrund dieser Lernerfahrung werden zukünftige Handlungen angepasst.

Bei dieser Lernform geht es vorrangig darum: Fehler erkennen und korrigieren oder Prozesse und Produkte zu optimieren.

Tiefgehende Reflexion: Das Double-Loop Learning
Beim Double-Loop Learning wird nicht nur kritisch betrachtet, was getan wird, sondern auch WESHALB und WIE:

Hinter den Handlungen stehende Annahmen, Strategien, Werte und Normen werden auf einer übergeordneten Meta-Ebene in Frage gestellt und reflektiert. Dieses umfassende In-Frage-Stellen führt nicht nur zur Veränderung von Handlungen oder zur Korrektur von Fehlern, sondern allenfalls auch zur Veränderung der bestehenden Haltungen, Werten, Normen, Strategien und bisherigen Annahmen (vgl. Argyris und Schön, 2018, S. 31 -37).

Abbildung: Double-Loop Learning nach Argyris und Schön (angelehnt an diese Quelle, Stand: 23. Oktober 2023)

Was bringt dir das Double-Loop Learning konkret?

Wenn du nun die Meta-Reflexion des Double-Loop Learnings in deiner Organisation oder generell im Leben regelmässig praktizierst, gewinnst du folgenden Mehrwert (vgl. Senge, 2017, S. 263):

  • Du oder ihr als Team / Organisation erkennt verdeckte Muster und Zusammenhänge besser. Dadurch entsteht ein tieferes und umfassenderes Verständnis für die reflektierte Situation.
  • Das vertiefte Verständnis eröffnet euch neue Perspektiven, über welche ihr Handlungsoptionen entwickeln könnt, die klar über die kurzfristigen, situativ geprägten Re-Aktionen hinausgehen.
  • Als Team oder Organisation über diese neuen Erkenntnisse zu sprechen, erweitert das Bewusstsein, kreiert ein gemeinsames Verständnis und fördert die Kompetenz zur Co-Kreation.
  • Dadurch findest du / ihr pro-aktive, kreative und sinnvolle Lösungen, die längerfristig wirksam sind.

Wann setzt du welche Lernschlaufe gewinnbringend ein?

Willst du im bestehenden System kleine oder «oberflächliche» Verbesserungen und Optimierungen erwirken? Dann nutzt du das Single-Loop Learning und fokussierst auf das Kurzfristige und Beobachtbare: Arbeitsprozesse und Abläufe. Das macht in vielen Momenten Sinn. Beachte: Du befindest dich weiterhin im re-aktiven Modus.

Oder du spürst, dass es «harzt»: Es hat Sand im Getriebe, aber es ist dir und deiner Organisation nicht ganz klar, was los ist? Dann nutzt ihr das Double-Loop Learning und setzt tiefer an: bei euren Normen und Überzeugungen. Ihr hinterfragt das System selbst: Überzeugungen, Werte, Strategien und Annahmen. Diese Form von Lernen und Entwicklung beeinflusst indirekt auch die Organisationskultur.

Sprich: Mit dem Double-Loop Learning steigt ihr aus dem re-aktiven Modus aus und entwickelt selbstbestimmt nachhaltige Lösungen.

Wie bist du aufgestellt, mit deinen persönlichen und firmeninternen Reflexionsprozessen?

Diese Fragen möchte ich dir heute mitgeben:

  • Wie findet Lernen a) in deinem Leben, b) in deiner Organisation und c) in deinem Team statt?
  • Welche Gefässe (Sitzungen / Workshops / Retreats etc.) existieren, in denen über das übliche, operative Alltagsgeschäft hinaus reflektiert wird? Und welche Räume gibt es dafür in deinem Privatleben??
  • Auf welcher Stufe wird – persönlich oder in der Organisation – öfters reflektiert: Single-Loop oder Double-Loop Learning? Was glaubst du, sind die Auswirkungen davon?

Ausblick

Nun haben wir also einen ersten Faktor identifiziert, der kraftvolle und erfolgreiche Führung in komplexen, unsteten Zeiten ermöglicht: Tiefgehendes Reflexionsverhalten.

Drei weitere Erfolgsfaktoren schauen wir uns in den kommenden Blogartikeln 4-6 vertieft an:

  • Wie du visionierst: echt, lebendig und umsetzbar
  • Warum du systemisch denken willst – mit Elefanten und Schlangen
  • Wo auch bei dir alles anfängt – und warum

Du möchtest wissen, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen – in deiner Organisation oder in deinem persönlichen Umfeld – um Reflexionsverhalten bewusst und effektiv leben zu können? Setze dich gern mit mir in Verbindung und wir schauen deine konkrete Situation detailliert an.

Herzliche Grüsse
Barbara Seeger

 

 

P.S. Du hast den Blog #1 verpasst? Dort erhältst du einen Überblick über die Struktur und Aufbau dieser Blogserie: «In 7 Schritten zu kraftvoller und erfolgreicher Führung in komplexen Zeiten».

Blog #2 mit dem Titel: «ANTWORTEST du schon oder REAGIERST du noch auf die Komplexität unserer unsteten Zeit» verschafft dir ein vertieftes Verständnis für die komplexe Ausgangslage unserer aktuellen Situation.

Quellenverzeichnis

  • Argyris Ch. und Schön D. (2018). Die lernende Organisation. Grundlagen, Methode, Praxis. Stuttgart: Schäffer Poeschel Verlag für Wirtschaft. Steuern. Recht GmbH.
  • Senge, P. (2017). Die fünfte Disziplin. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft.Steuern.Recht GmbH.

 

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