Die Kunst des Loslassens
Ein radikaler Befreiungsakt
5. November 2024
Warum es uns so schwerfällt, loszulassen, was das mit unserer Kultur und dir persönlich zu tun hat und mit welchen 5 Schritten Loslassen gelingen kann, erfährst du in diesem Blogbeitrag.
Inhalt
- Kennst du das?
- Was heisst Loslassen eigentlich?
- Warum fällt uns Loslassen so schwer?
- Aspekte aus unserer Kultur: Kontrolle, Erfolg & Versagen
- Aspekt des Trugschlusses der versunkenen Kosten (Sunk Cost Fallacy)
- Akzeptanz und Vertrauen als Schlüssel zum Loslassen
- Der Weg des Loslassens in 5 Schritten
- Auf den Punkt gebracht
Kennst du das?
Kennst du das, wenn du ein Problem wälzt und eine Stimme in dir die Antwort schon kennt, während eine andere Seite in dir diese aber einfach nicht wahrhaben will?
Mir ging es heute Morgen so: Da war eine Idee, die ich unbedingt realisieren wollte, in die ich schon viel Energie gesteckt hatte und in deren Umsetzung aber einfach der Wurm drin steckte. Um den Kopf zu lüften, machte ich mich auf zu einem Waldspaziergang. Und als es unter meinen Füssen so wunderbar raschelte und mir vom Himmel immer wieder bunte Herbstblätter entgegentanzten, fragte ich mich, ob die Bäume mit dem Loslassen der Blätter auch so Mühe haben, wie ich mit meiner Idee.
Es fällt uns oft schwer, loszulassen. Wir halten fest an Menschen, Beziehungen, Situationen oder Dingen, die uns einst glücklich machten. Oder an Vorstellungen und Erwartungen, die uns in der Zukunft Glück bringen sollen.
Wir halten sogar dann an Bisherigem fest, wenn es uns belastet und zu Stress, Schlafproblemen oder Erschöpfung führt.
Also selbst dann, wenn wir spüren, dass die Zeit reif ist für etwas Neues.
Wie Loslassen gelingen kann, erfährst du in diesem Blog.
Was heisst Loslassen eigentlich?
Loslassen wird oft missverstanden. Es klingt, als würde man etwas Wertvolles aufgeben oder passiv dabei zuschauen, wie einem die Felle davon schwimmen.
Dabei ist Loslassen eine bewusste Entscheidung. Alte, ungesunde oder nicht mehr passende Muster, Beziehungen oder Projekte werden verlassen, um Raum für Wachstum und neue Möglichkeiten zu schaffen.
Loslassen bedeutet Veränderung zulassen:
Ballast abwerfen und sich für Neues öffnen.
Darin liegt Freiheit.
Loslassen ist ein Gegenpol zu den starren Erwartungen und dem unaufhörlichen Streben, das in unserer wachstumsgetriebenen und leistungsorientierten Gesellschaft oft die Oberhand gewinnt.
Ein radikaler Akt der Befreiung, Selbstbestimmung und Reifung. Loslassen kann auch als eine Form der inneren Reinigung verstanden werden, die uns hilft, durch Innehalten und Hinspüren in Einklang mit unseren wahren Bedürfnissen und Werten zu kommen.
Warum fällt uns Loslassen so schwer?
Oft spüren wir deutlich, dass es an der Zeit wäre, etwas zu verabschieden und auch, dass das Festhalten uns belastet und zu Stress, Unzufriedenheit, Schlafproblemen oder Erschöpfung führt. Warum können wir nicht einfach – wie ein Baum – die welk gewordenen Aspekte in unserem Leben fallen lassen, ohne Wehmut, Angst oder Schmerz?
Aspekt 1: Wie unsere Herkunft und Kultur die Perspektive auf Kontrolle, Erfolg, Versagen prägt
Unsere Kultur der ständigen Leistungsorientierung und Selbstoptimierung suggeriert, dass wir durch Kontrolle und Anstrengung das Leben nach unseren Vorstellungen formen können. Doch das Leben ist oft unvorhersehbar und die Illusion der Kontrolle führt zu Frustration und innerer Anspannung, wenn es nicht wie geplant läuft.
Zudem wird Erfolg oft an unserem Besitztum oder dem sozialen Status gemessen, was dazu führt, dass wir ständig nach mehr streben: mehr Besitz, mehr Erfolg, mehr Anerkennung. Dies schafft Unruhe und Unzufriedenheit. Anstatt uns auf das zu konzentrieren, was wir bereits haben oder wer wir sind, neigen wir dazu, unseren Wert über äussere Erfolge zu definieren.
Verstärkend wirkt die Angst vor dem Versagen, die in unserer Kultur tief verankert ist. Viele Menschen halten an Beziehungen, Karrieren oder Zielen fest, weil sie befürchten, als Versager gesehen zu werden, wenn sie etwas aufgeben. Diese Angst wird genährt von einem tief verwurzelten Perfektionismus, der uns daran hindert, uns selbst mit unseren menschlichen Schwächen zu akzeptieren.
Darüber hinaus fühlen wir uns in dem sicherer, was wir schon kennen, selbst wenn es sich nicht gut anfühlt. Anstatt der Chance – die sich unbekannt und deshalb auch unsicher anfühlt – von «was sein könnte» zu vertrauen und zu folgen.
Aspekt 2: Trugschluss der versunkenen Kosten (Sunk Cost Fallacy)
Ein weiterer Grund, der das Loslassen erschwert, ist die Falle der «versunkenen Kosten»: Wir halten an Etwas fest, weil wir bereits viel (Geld, Energie, Zeit…) investiert haben und es deshalb noch wichtiger scheint, es zum Erfolg zu bringen. Wir meinen, weiter investieren zu müssen und realisieren nicht, dass uns «mehr vom selben» nicht zum erwünschten Ergebnis führen wird, sondern dass die laufenden «Kosten» nun in einem negativen Verhältnis zu den gewünschten Ergebnissen stehen.
Akzeptanz und Vertrauen als Schlüssel zum Loslassen
Loslassen erfordert Vertrauen: Vertrauen a) in uns selbst, b) in andere Menschen und c) ins Leben an sich, das ständig in Bewegung ist.
Dieses Vertrauen ist in unserer Gesellschaft schwer zu entwickeln, da wir ständig mit Unsicherheit und dem Gefühl konfrontiert werden, nicht genug zu sein oder zu haben.
Vertrauen bedeutet zu anerkennen, dass wir nicht alles kontrollieren können und dass dies eine wichtige Gesetzmässigkeit des Lebens ist.
Oder anders: Darauf zu vertrauen, dass sich das Leben auf eine Weise entfaltet, die vielleicht nicht immer unseren Vorstellungen entspricht, aber dennoch stimmig ist.
Das fordert ein hohes Mass an Akzeptanz.
Akzeptanz bedeutet, die Realität so anzunehmen, wie sie ist, ohne ständig zu kämpfen oder etwas erzwingen zu wollen.
Denn Gefühl x (z.B. Angst, Wut, Eifersucht etc.) * Widerstand = Leid, so die Rechnung von Tara Brach, buddhistische Psychologin.
Wenn wir lernen, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind, eröffnet sich einerseits ein Raum für inneren Frieden und Gelassenheit und andererseits entsteht ein Boden für echte Veränderung.
Der Weg des Loslassens in 5 Schritten
Schritt 1: Werde dir deiner Anhaftungen bewusst
Werde dir klar, woran du festhältst und warum. Ist es der Trugschluss der versunkenen Kosten, Versagensangst oder die Illusion von Kontrolle? Indem du dir bewusst wirst, was dich antreibt, kannst du beginnen, diese Anhaftung loszulassen.
Tipp: Praktiziere Journaling: Beim reflexiven Schreiben zeigen sich oft Muster, die erst über das Festhalten erkennbar – und damit bearbeitbar – werden.
Schritt 2: Übe dich in Akzeptanz
Akzeptanz bedeutet, die Dinge (oder Menschen) so zu sehen, wie sie sind, ohne zu urteilen oder zu bewerten. Das bedeutet nicht, dass wir aufhören sollen, nach Verbesserung zu streben oder eine eigene Meinung zu haben. Es geht darum, die Realität zu anerkennen, anstatt ständig dagegen anzukämpfen.
Tipp: Übe Achtsamkeit: Ob mit Meditation, Yoga oder im Zusammensein mit anderen Menschen – die Haltung darin ist essenziell.
Schritt 3: Baue Vertrauen auf
Vertrauen erfordert Übung. Beginne in kleinen Schritten, Kontrolle abzugeben und darauf zu vertrauen, dass sich die Dinge so entwickeln, wie sie sollen – auch wenn das nicht immer deinen Vorstellungen entspricht. Das kann bedeuten, weniger zu planen, Unterstützung von anderen anzunehmen und damit zu experimentieren, nicht immer alles zu wissen oder zu kontrollieren.
Tipp: Kultiviere Dankbarkeit und probiere pro-aktiv aus, wie es sich anfühlt, weniger zu lenken & beherrschen, sondern im Lebensfluss mitzufliessen.
Schritt 4: Überdenke deine Vorstellung von Erfolg
In einer Gesellschaft, die Leistung und Status über alles stellt, ist es enorm wichtig, sich selbst ein Anker zu sein und sich eine eigene Definition von Erfolg und Glück zu schaffen. Nachhaltige Zufriedenheit und Erfüllung entstehen oft durch innere Werte und Selbstakzeptanz. Das stärkt ganz direkt auch das eigene Selbstwertgefühl.
Tipp: Stell dir vor, du würdest am Ende deines Lebens stehen. Was hättest du – aus heutiger Sicht – zu wenig gelebt? Welche emotionalen Sehnsüchte können Wegweiser sein? Und was lebst du gut und bist stolz darauf? Kreiere ein Werte-Board.
Schritt 5: Miste aus und orientiere dich vorwärts
Beim Ausmisten denken wir automatisch an den Kleiderschrank oder den Kuhstall. Das funktioniert aber genauso auf emotionaler und mentaler Ebene. Denn auch hier sammeln sich alte Glaubenssätze und Muster, die uns einengen, nicht mehr dienlich sind und die Energie rauben.
Tipp: Stell dir folgende Fragen: Welchen Grund gibt es (ausser, dass ich schon darin investiert habe), weiter an etwas festzuhalten, wenn ich an die Zukunft denke? Würde ich die aktuelle Situation, Beziehung etc. genau in diesem Zustand annehmen, wenn ich sie geschenkt bekäme? Wofür ist es in der Zukunft dienlich, wenn es sich nicht verändert?
Auf den Punkt gebracht
Loslassen bedeutet innere Freiheit und hilft dir, dich von unnötigem Ballast zu befreien – sei es in Form von materiellen Besitztümern, falschen Vorstellungen, festgefahrenen Erwartungen und mehr.
Loslassen bedeutet nicht, sich von allem zu trennen, was einem lieb ist, sondern sich von dem zu befreien, was uns nicht mehr dient.
Die Angst vor dem Scheitern zu überwinden und sich selbst in seinen Unvollkommenheiten zu akzeptieren. Das erfordert Mut, Vertrauen und Akzeptanz, drei Qualitäten, die uns helfen, mit den Unwägbarkeiten des Lebens gelassener umzugehen.
Loslassen ist nicht das Ende, sondern der Anfang eines freieren, erfüllteren Lebens!
Du möchtest erwähnte Qualitäten kultivieren oder dich in einem anstehenden Prozess des Loslassens begleiten lassen? Setze dich gern mit mir in Verbindung – und wir schauen uns deine konkrete Situation detailliert an.
Herzliche Grüsse
Barbara Seeger
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(vormals Barbara Seeger HR Consulting)
Barbara Seeger
Schulstrasse 2
4450 Sissach