Resilienz als Zukunftskompetenz für Menschen und Organisationen
Resilienz ist mehr als ein Schlagwort: Warum Belastbarkeit in einer Welt im Umbruch nicht mehr ausreicht.
25. September 2025:
Was Resilienz wirklich bedeutet, welches ihre Grundlagen sind und warum sie vielleicht DIE Zukunftskompetenz ist, erfährst du in diesem Blogartikel.

Resilienz im Kontext unserer aktuellen Welt
Die Anforderungen an Organisationen steigen stetig: geopolitische Unsicherheit, beschleunigte Märkte, gesellschaftliche Umbrüche. Viele Mitarbeitende fühlen sich erschöpft, Führungskräfte kämpfen mit permanentem Druck – und gleichzeitig sollen Teams innovativ, flexibel und leistungsfähig bleiben.
Vor diesem Hintergrund wird Resilienz – die Fähigkeit, Krisen nicht nur auszuhalten, sondern daran zu wachsen – zu einer entscheidenden Zukunftskompetenz.
Die Entwicklung des Resilienz-Begriffs
Der Begriff Resilienz tauchte in der Psychologie erstmals in den 1950er-Jahren auf. Grosse Bedeutung erlangte die Kauai-Studie von Emmy Werner und Ruth Smith, die über 40 Jahre hinweg Kinder auf Hawaii beobachteten, die unter schwierigen Bedingungen aufwuchsen. Dennoch entwickelte sich ein Teil von ihnen stabil und gesund (Werner & Smith, 1982). Diese Beobachtung wurde zum Ausgangspunkt der Resilienzforschung.
Ein weiterer Meilenstein war die Arbeit des Medizinsoziologen Aaron Antonovsky in den 1970er-Jahren. Er untersuchte, warum manche Menschen trotz traumatischer Erfahrungen – etwa Überlebende des Holocaust – gesund bleiben konnten. Daraus entwickelte er das Konzept der Salutogenese, das nicht Krankheit, sondern Gesundheit und ihre Entstehung ins Zentrum stellt (Antonovsky, 1979). Er identifizierte den sogenannten Sense of Coherence (SOC) – das „Gefühl von Stimmigkeit“ – als Schlüssel:
- Verstehbarkeit: Belastungen erscheinen nicht völlig willkürlich, sonderblassen sich kognitiv einordnen.
- Handhabbarkeit: Menschen erleben, dass sie über Ressourcen verfügen – eigene oder durch ihr Umfeld – um die Situation zu bewältigen.
- Bedeutsamkeit: Schwierigkeiten haben einen Sinnzusammenhang; es lohnt sich, Energie in die Bewältigung zu investieren.
Während Antonovsky damals vor allem die individuelle Ebene betrachtete, wird Resilienz heute breiter verstanden – namentlich auch in Bezug auf Teams und Organisationen.
Es ist die Fähigkeit von Individuen, Gruppen oder Organisationen, Belastungen, Krisen und Veränderungen so zu bewältigen, dass zentrale Funktionen erhalten bleiben und Entwicklung stattfinden kann (Holling, 1973; Bonanno, 2004).
Mit anderen Worten:
Resilienz verbindet Stabilität und Anpassungsfähigkeit. Ein resilientes System – sei es ein Mensch, ein Team oder eine Organisation – kann auf Störungen reagieren, sich anpassen und dennoch seine wesentlichen Funktionen erhalten.
Drei Ebenen von Resilienz – individuelle, im Team und in Organisationen
Individuelle Resilienz
Sie zeigt sich vor allem in der Fähigkeit zur Selbstführung, zur Selbstregulation, im Vertrauen auf die eigene Wirksamkeit und im klugen Umgang mit Belastungen.
Teamresilienz
Ein Team ist dann resilient, wenn es Belastungen nicht nur aushält, sondern daraus gemeinsame Stärke entwickelt. Wichtige Schlüsselfaktoren sind:
- Psychologische Sicherheit – die Gewissheit, dass man sich einbringen kann, ohne Angst vor Abwertung
- Vertrauen und gegenseitige Unterstützung – das Wissen, dass man sich aufeinander verlassen kann.
- Kollektive Wirksamkeit – der Glaube, als Gruppe auch schwierige Situationen meistern zu können.
- Gemeinsamer Sinn und flexible Rollen – ein klares „Wofür“ verbindet, während Abläufe so anpassbar bleiben, dass Lernen möglich ist.
Studien von West & Markiewicz (2016) zeigen, dass Teams resilienter werden, wenn sie psychologische Sicherheit mit einer gemeinsamen Vision, klaren Zielen und geteilten Werten verbinden. Gerade in Organisationen, die stark unter Druck stehen, entscheidet die Qualität der Zusammenarbeit darüber, ob Energie in Konflikten verpufft – oder ob Teams Vertrauen und Innovationskraft entwickeln.
Organisationale Resilienz
Sie zeigt sich nicht nur in grossen Krisen, sondern im alltäglichen Umgang mit Unsicherheit, Komplexität und Veränderung.
Die internationale Norm ISO 22316:2017 beschreibt organisationale Resilienz als «die Fähigkeit einer Organisation, sich anzupassen, Veränderungen vorherzusehen, zu reagieren und sich weiterzuentwickeln, um zu überleben und erfolgreich zu sein.»
Dafür braucht es Strukturen, die flexibel genug für Anpassung sind und gleichzeitig stabil genug, um Orientierung zu geben. Praktisch bedeutet das:
- eine Kultur, die Lernen und Austausch fördert
- Führung, die Vertrauen in die Handlungskompetenz der Mitarbeitenden hat
- Prozesse, die nicht nur Effizienz, sondern auch Anpassungsfähigkeit ermöglichen
Kurz: Eine resiliente Organisation versteht Wandel nicht als Ausnahme, sondern als Teil ihrer Normalität.
Resilienz ist kein Zufall, sondern ein Prozess
Resilienz fällt nicht vom Himmel. Sie ist kein statisches Persönlichkeitsmerkmal, sondern ein dynamischer Prozess. Führung und Organisation haben also einen direkten Einfluss darauf, ob Resilienz wächst oder verkümmert. Rahmenbedingungen wie klare Rollen, Lernkultur, gesunde Belastungssteuerung und wertschätzende Kommunikation sind dabei entscheidend.
Widerstandskraft aufbauen – bevor die Krise eintritt
Was für die Gesundheit gilt, trifft auch für Organisationen zu: Prävention wirkt besser als Reparatur. Es ist wie mit dem Immunsystem: Wer erst dann Vitamin C nimmt, wenn die Erkältung schon da ist, kommt zu spät. Prävention beginnt vorher. Resilienz muss aufgebaut werden, bevor die Krise eintritt.
Für Organisationen heisst das:
- Prävention statt Reparatur: Räume für Erholung, Reflexion und Lernen müssen Teil der (Organisations-)Kultur sein.
- Routine statt Ausnahme: Resilienz entsteht, wenn Strategien wie Feedback, Lernschleifen und klare Priorisierung im Alltag verankert sind.
- Langfristigkeit statt Aktionismus: Es braucht kontinuierliche Investitionen, nicht kurzfristige „Resilienz-Workshops“ als Alibi.
Wichtig ist: Resilienz wächst durch kleine, regelmässige Schritte – nicht durch punktuelle Impulse. Deshalb braucht es Formate, die kontinuierliche Begleitung ermöglichen.
In meinem Resilienz-Jahrestraining erleben die Teilnehmenden, wie dieses Dranbleiben sie in einen Prozess bringt, in dem sich echte Resilienz und Selbstführungskompetenz entwickeln und wachsen können.
Fazit – Resilienz als Zukunftskompetenz
Resilienz entscheidet nicht nur über die Gesundheit von Menschen und die Stabilität von Teams, sondern auch über die Zukunftsfähigkeit von Organisationen.
Der Satz «Culture eats strategy for breakfast» vom amerikanischen Ökonom Peter Drucker bringt es auf den Punkt:
Eine Kultur, die Resilienz fördert, ist die beste Grundlage, um Strategien überhaupt wirksam umzusetzen und sich den aktuellen und zukünftigen Gegebenheiten anzupassen.
Doch was bedeutet das konkret für dich und deine Organisation? Hier einige Fragen zur Selbstreflexion:
- Welche Strukturen in deiner Organisation fördern heute schon Anpassungsfähigkeit – und wo dominieren reine Effizienzlogiken?
- Wie erleben deine Teams psychologische Sicherheit im Alltag – und was schwächt dieses Vertrauen vielleicht
- Auf welche Weise förderst du deine oder die Selbstführung der Mitarbeitenden, damit sie Belastungen gesund bewältigen können?
- Und ganz persönlich: Wie gehst du selbst mit Druck, Unsicherheit und Veränderung um? Was hilft dir dabei?
Wenn du beim Lesen oder Beantworten der Fragen ins Nachdenken kommst: Genau da setzt meine Arbeit an.
Lass dich gerne persönlich, mit deinem Team oder deiner Organisation in diesem Prozess von mir begleiten: Setze dich mit mir in Verbindung – und wir schauen deine konkrete Situation detailliert an.
Herzliche Grüsse
Barbara Seeger
Quellen
Antonovsky, A. (1979). Health, Stress, and Coping. San Francisco: Jossey-Bass.
Bonanno, G.A. (2004). Loss, trauma, and human resilience: Have we underestimated the human capacity to thrive after extremely aversive events? American Psychologist, 59(1).
Holling, C.S. (1973). Resilience and stability of ecological systems. Annual Review of Ecology and Systematics.
ISO 22316:2017. Security and resilience – Organizational resilience – Principles and attributes. Geneva: International Organization for Standardization.
Lengnick-Hall, C.A., Beck, T.E., & Lengnick-Hall, M.L. (2011). Developing a capacity for organizational resilience through strategic human resource management. Human Resource Management Review, 21(3).
Werner, E.E., & Smith, R.S. (1982). Vulnerable but Invincible: A Study of Resilient Children. New York: McGraw-Hill.
West, M.A., & Markiewicz, L. (2016). Building Team-Based Working. Oxford: Blackwell.
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(vormals Barbara Seeger HR Consulting)
Barbara Seeger
Schulstrasse 2
4450 Sissach