Warum starke Ergebnisse radikale Fokussierung fordern

Vom Schneiden als schöpferischer Akt

12. August 2025:
Reife ist nicht die Summe aller Möglichkeiten. Reife braucht Entscheidung. Weshalb dies Verzicht, aber nicht Verlust bedeutet und wie ein bewusster Schnitt Organisationen wieder in ihre Kraft und Fokussierung bringen kann, erfährst du in diesem Blogartikel.

Der Zeitpunkt der Reife

Im August liegt Reife in der Luft. Die Felder neigen sich schwer unter dem Gold der Ähren, das Obst füllt die Körbe und wer aufmerksam ist, kann am weicheren Morgenlicht bereits den Abschied des Sommers erahnen. Trotz hochsommerlichen Temperaturen befindet sich die Natur nicht mehr im Zustand der Ausdehnung, sondern steht an einer Schwelle. Jetzt entscheidet sich, was wirklich ausgereift wird (Essenz), was stirbt (nicht mehr Nützliches) und was «mitgenommen wird in den neuen Zyklus» (Samen fürs Neue).

Auch in Organisationen stellen sich zyklisch dieselben Fragen:

  • Was ist reif oder will zur Vollendung kommen?
  • Was verlangt jetzt unseren Fokus, unsere ganze Kraft?
  • Was braucht (endlich) den Schnitt, damit das Wesentliche wirklich gedeihen kann?
Die Illusion der Fülle

Wir leben in einer Kultur der Optionen. Alles ist möglich, jederzeit verfügbar. In dieser scheinbaren Fülle verlieren wir jedoch oft die Orientierung. Projekte stapeln sich, Initiativen wachsen wild, Mitarbeitende verzetteln sich im guten Willen. Entscheidungen werden vertagt, Ziele verschwimmen.

Reife ist nicht die Summe von allem, was man tun könnte. Sie ist das Ergebnis von Konzentration: auf das Wesentliche, das Lebensfähige, das wirklich Kraftvolle und Tragfähige.

Die Natur macht es uns vor. Der Apfelbaum trägt im Frühling tausend Blüten, aber im August hängt nur eine Auswahl davon als Frucht am Zweig. Bei den Trauben dünnt der Winzer im Sommer die Reben sogar aus. Er entfernt Trauben, die keine Chance haben, voll auszureifen. Dieser Schnitt ist radikal und notwendig. Denn nur wenn die Pflanze nicht alle Seitenäste versorgen muss, können die verbleibenden Trauben süss und voll werdenein guter Jahrgang entsteht (auch) durch Verzicht. Und auch hier greifen weitere Kräfte ein: Pilzbefall, Wespen, Fäulnis…

Was nicht stark genug ist, fällt weg. Reife ist ein Ausschlussverfahren.

Schneiden statt loslassen: Ein aktiver Akt der Klarheit

Was also zur Reife kommen will, braucht: Konzentration. Kraftbündelung. Entscheidung. Dafür braucht es oft einen klaren Schnitt. Häufig sprechen wir vom Loslassen. Das klingt sanft, fast poetisch. Aber was jetzt gebraucht wird, ist kein zögerndes Öffnen der Hände. Es ist ein beherzter Schnitt.

Schneiden bedeutet: Priorisieren. Entscheiden. Ernten. Raum schaffen.

Wer schneidet, stellt Ordnung her. Wer nicht schneidet, verzettelt sich.

Der Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik nennt dieses selbstbestimmte Schneiden nüchtern „Systematische Müllabfuhr“; drastisch formuliert, aber treffend.

Wer alles behalten will, verwildert.
Wer nichts zurückschneidet, verliert Struktur.

In der Wirtschaft bezeichnen Joseph Schumpeter und andere Ökonomen diesen Prozess auch als «kreative Zerstörung»: Das Alte stirbt nicht zufällig, sondern wird bewusst zurückgelassen, damit etwas Lebensfähigeres entstehen kann.
Peter Drucker formulierte:

«Nichts ist so nutzlos, wie etwas effizient zu tun, dass gar nicht getan werden sollte».

Er ergänzte, dass Organisationen nicht an mangelnder Aktivität scheitern, sondern an mangelnder Ausrichtung. Und genau die gelingt nur, wenn wir den Mut zum Schnitt haben.

Wie erkennt man, was geschnitten werden muss?

Das Schneiden ist keine beliebige Kürzung, sondern ein klärender Prozess. Es braucht Aufmerksamkeit, einen Blick für Reifegrade und einen gemeinsamen Kompass.

In Organisationen kann man sich dazu folgende Fragen stellen:

  • Was hat den Zenit überschritten und lebt nur noch aus Gewohnheit weiter?
  • Wo binden wir Energie, obwohl es keinen Mehrwert (mehr) gibt?
  • Welche Projekte, Prozesse, Strukturen und Ideen hemmen uns, statt uns zu stärken?
  • Welche Routinen, Meetings oder Rollen sind blosse Hüllen gworden?

Schneiden mit Verantwortung

Ein Schnitt braucht Mut. Und Verantwortung. Denn er ist ein Eingriff – nicht nur in Zahlen, sondern in Beziehungen, Hoffnungen, Dynamiken. Wer schneidet, sollte gut vorbereitet sein:

  • Klarheit im Warum: Der Schnitt ist kein Selbstzweck, sondern dient der Ausreifung. Er schafft mehr Lebendigkeit, Fokus und Kraft fürs Wesentliche
  • Verantwortung im Wie: Ein bewusster Schnitt geschieht transparent, nachvollziehbar und respektvoll. So wird er tragfähig und ermöglicht allen Betroffenen, mitzugehen
  • Würde fürs Was: Was geschnitten wird, war einmal wichtig. Es verdient Anerkennung und einen würdigen Abschluss.

Vom Korn zum Samen: Kraft für den nächsten Zyklus

Der Schnitt im August ist kein Ende – sondern ein Übergang, in der Natur und in Organisationen. Zuerst gibt die Natur alles, was sie hat: volles Korn, volle Frucht – Reife in Farbe, Duft, Geschmack – reichhaltige Nahrung. Erst dann, wenn alles gegeben ist, zieht sie sich und ihre Kraft zurück. In den Kern. In das, was bleiben darf, um neu zu werden. Die Essenz geht also in Beides: in die Ernte und in das, was weiterleben soll. So geht die Natur in die Ruhe und Regenerationsphase, um sich auf das nächste Werden/den nächsten Zyklus vorzubereiten. Sie macht Platz, erholt sich, sammelt Kraft.

Auch in Organisationen braucht es diesen Rhythmus, aber nicht als kurzfristigen Change-Hype, sondern als

Eine bewusst gepflegte organisationale Praxis folgt dem Naturzyklus: keimen, wachsen, vermehren, fokussieren, bündeln, ernten, schneiden, regenerieren – und dann neu ausrichten.

Reife geschieht nicht durch Zufall. Sondern durch Klarheit, Mut – und den Willen, das Überflüssige (hinter sich) zu lassen.

In die Umsetzung kommen

Das Thema hat Resonanz gemacht? Dann lass dich persönlich, dein Team oder deine Organisation in diesem Prozess von mir begleiten: Setze dich gern mit mir in Verbindung – und wir schauen deine konkrete Situation detailliert an.

Herzliche Grüsse
Barbara Seeger

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